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Blick zurück - Blick nach vorn

Der Trainer nach dem verlorenen Fußball- match: „Wir haken das ab, was gewesen ist. Wir schauen jetzt nur nach vorn.“ Die Verwandte bei dem Versuch, die Trauernde zu trösten: „Du muss jetzt nach vorn schauen.“ Liebe Menschen in Bürgel, als ob der Blick zurück verpönt wäre... Na klar, der konzentrierte Blick nach vorne ist berechtigt: Ohne ihn würden wir unsere Ziele aus den Augen verlieren. Ohne ihn könnten unsere Hoffnungen inmitten aller Zweifel ersticken

Aber nur nach vorne schauen ohne den Blick zurück? Schließlich haben Rückblicke ihren ganz eigenen Wert: Der Jahresrückblick – du schaust auf alles Geglückte und alles Unfertige. Der Rückblick auf das beendete oder bald endende Arbeitsleben – was ist gelungen und welche Spuren hinterlässt deine Arbeit? Und dann sind da so viele schöne Erinnerungen an Feste, Außergewöhnliches, Momente der menschlichen Tiefe – nichts davon möchte ich wegwischen, sondern alles gut aufheben. Im Blick zurück spüre ich Dankbarkeit. Mein verdanktes Leben.

Lukas schreibt in seinem Evangelium auf, was Jesus vom Blick zurück hält:

„Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ (Lukas 9,62)

(Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deut- sche Bibelgesellschaft, Stuttgart)

Ist Jesus etwa unsentimental, gefühlskalt? Möchte Jesus uns davon abhalten zurückzublicken, vielleicht auch etwas nachzutrauern?

Wohl kaum. Unzählige Begegnungen sind es, in denen Jesus Menschen Zeit schenkt. Unzählige Begegnungen, in denen Menschen in seiner Gegenwart einen neuen Blick auf ihr Leben lernen. Auf das, was gewesen ist. Auf das, was werden kann. Wie sollte da nicht auch für uns Zeit sein, den Spuren in der Vergangenheit nachzugehen, die uns erfüllt haben, die uns Gott haben erahnen lassen? Auch die Spuren des Verlorenen und Vergangenen, die die Sehnsucht neu in uns wecken?

Durch die Worte Jesu verstehe ich aber auch: Nicht nur der Rückblick, auch das Drängende hat sein Recht. Raum zu schaffen, Sinne zu wecken für Gott, das geschieht nicht von allein. Konzentriert zu suchen, was in Gottes Sinn ist, hilft gerade, wenn der Blick sich verengt, wenn das Grübeln sich breit macht. Bloß nicht mit Scheuklappen in die Zukunft, sondern mit weitem Blick!

Mit diesem weiten Blick schauen wir auch auf unsere Arbeit am Gemeindebrief. In jeder Ausgabe finden sich Bilder und Berichte, feinsinnige Gedanken und Erinnerungen. Und das nun schon seit vielen Jahren. Dankbar schauen wir zurück. Aber schon in der nächsten Ausgabe des Gemeindebriefes werden Sie merken: Unser Blick weitet sich. Wir schauen nach vorne. Dann nämlich wird der Gemeindebrief als gemeinsames Projekt der evangelischen Kirchengemeinden Bürgel, Rumpenheim und Waldheim erscheinen. Mit einem gemeinsamen Gemeindebrief zeigen wir: Nicht nur die Nachbarschaft der Orte verbindet uns, sondern auch die gemeinsame Suche nach den Spuren Gottes.

Ihr Pfarrer Jonathan Stoll


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