Andacht aus dem Gemeindebrief
Alles im Fluss
Kategorie: Andacht (N), Nachrichten (N)
Bildrechte: Jonathan Stoll
Wo auch immer ich in der Vergangenheit gewohnt habe – immer hat es mir viel bedeutet, wenn ein Fluss in der Nähe war.
Ob beim Picknick mit Blick auf Schwäne und Enten, während einer Fahrradtour entlang des Flusses oder auch beim Blick auf die Wasseroberfläche, in der die Welt sich spiegelt: Leben am Fluss hat Lebensqualität.
Natürlich birgt ein so großes Gewässer auch zahlreiche Gefahren. Dennoch sind Flüsse seit ewigen Zeiten Lebensadern, an denen Menschen heimisch wurden: Die Bewässerung von Feldern war lebensnotwendig, der Fischfang versorgte die Menschen und der Transport von Gütern auf dem Wasser ist bis heute ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Ein Fluss kann aber auch Symbol für die wechselhafte Geschichte menschlichen Lebens sein – auch in biblischen Texten wird das deutlich:
Schon vom Garten Eden aus teilt sich ein Fluss in mehrere Arme (1. Mose 2,10). Doch gerade der Garten Eden wird nach seiner anfänglich paradiesischen Beschreibung schnell zum Schauplatz der harten Realität. Dieser Garten wird der erste Ort, an dem der Mensch danach strebt wie Gott zu sein. Der Eklat zieht seine Kreise – bis zur Ausweisung der Menschen aus dem Garten durch Gott höchst persönlich (1. Mose 3,23).
Ausgerechnet in Ägypten, das gänzlich vom Nil als Lebensader abhängig ist, lebt das Volk Israel später für lange Zeit in der Fremde. Nach einer schier endlosen Wüstenwanderung ist es dann der Jordan, durch den hindurch das Volk Israel in das von Gott versprochene Land einzieht. In einer späteren Gefangenschaft des Volkes Israel, weit weg von Zuhause, entstehen die traurigen Worte, die sich nach der Heimat sehnen: „An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten.“ (Psalm 137,1)
Und auch Jesus steigt eines Tages zu Johannes in den Jordan und lässt sich in diesem Fluss von ihm taufen (Matthäus 3,13f). Was in diesem Fluss geschieht, wird zu einem der wichtigsten Kennzeichen christlichen Glaubens: Die Taufe als Zeichen der Verbindung mit Gott. Als ein Zeichen des Neuanfangs, das Christinnen und Christen seitdem nachvollziehen. Das Alte wird abgewaschen. Gott fängt ganz neu mit dir an.
„Alles ist im Fluss“. Das meint nicht nur das Leben im Rhein-Main-Gebiet, einem Knotenpunkt von Verkehrsund Datenströmen. Es meint auch die Veränderungen im eigenen Leben. Manch unverhofftes Glück, manch ungeahnte Wendung oder überraschende Ernüchterung. Insofern leben wir in Bürgel, in Offenbach nicht nur am Fluss, sondern auch im Fluss.
Ich wünsche Ihnen und euch angesichts all dessen, was im Leben jetzt gerade „im Fluss“ ist, eine feste Verwurzelung in Gott. Denn wer Gott einen wichtigen Platz im Leben einräumt, „der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht.“ (Psalm 1,3)
Ihr / euer Pfarrer Jonathan Stoll
Biblische Zitate nach: Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart