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Andacht aus dem Gemeindebrief

Andacht: Sehnsucht

Liebe Leserinnen und Leser, man mag es nicht mehr hören und sehen und spüren – und kann all dem doch nicht ausweichen, was die Menschheit in diesen Zeiten so drückt: Pandemie, Klimawandel, Naturkatastrophen, Hungersnöte, Kriege in der Welt, Krieg auch in Europa.

Wie kommt man da durch? Wie leben Menschen ihr eigenes, einziges Leben: für sich und mit anderen und auch für andere?

Manche suchen Rückzug, andere entfalten ungeahnte Kräfte. Beides muss sich nicht widersprechen, sondern kann sich ergänzen und gegenseitig bedingen und fördern.

Wo finden wir Halt? Wohin führt unser Weg? Werden wir geführt und begleitet?

Unseren Weg müssen wir selbst finden und verantworten. Das gilt für Regierungen wie für jeden einzelnen Menschen.

Der Monatsspruch für Juli 2022 lautet.

„Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott.“ (Psalm 42, 3a)

In diesem Gebet kommt ein echtes, tiefes Verlangen zum Ausdruck. Allerdings mehr Frage als Antwort:

„Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue?“ (Ps. 42, 3b) Mehr Verzweiflung als Trost, Halt, Gewissheit:

„Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht, weil man täglich zu mir sagt: Wo ist nun dein Gott?“ (Ps. 42, 4)

 

Fragt sich das der Psalmbeter am Ende auch selbst? Dann aber die Wendung: Es folgt dankbare Erinnerung an den Grund, der doch schon getragen hat, und an die bergende Gemeinschaft:

„Daran will ich denken und ausschütten mein Herz bei mir selbst: wie ich einherzog in großer Schar, mit ihnen zu wallen zum Hause Gottes mit Frohlocken und Danken in der Schar derer, die da feiern.“ (Ps. 42, 5)

Die Sehnsucht nach Gott, nach Heil, nach umfassendem Frieden wird durch die dankbare Erinnerung an das Gute im Leben, an gemeinsame Gotteserfahrungen sicherlich nicht einfach erfüllt. Ratlosigkeit und Verzweiflung sind nicht einfach aufgehoben.

Vieles bleibt - wie schon früher, so auch heute – offen, unabgegolten, unerreicht. Am Ziel sind wir nicht. Die Sehnsucht bleibt.

Auch Gott wird in der Bibel als suchend beschrieben: „Wo bist du?“ ist Gottes Frage in der biblischen Urgeschichte an den Menschen, der für die Menschheit steht (1. Mose 3,9). Gottes erste Frage!

Am Kreuz sind sich Gott und Mensch unüberbietbar nahe gekommen, aber es war der leidende und sterbende Mensch: Jesus am Kreuz. In Not und Tod ist Gott nicht ausgewichen (Karfreitag) und hat doch den Blick darüber hinaus geweitet und erhellt: Durch Ostern dürfen Menschen in der zarten Hoffnung auf Überwindung von Leid und Tod leben – immer wieder völlig gegen den Augenschein und gegen die Erfahrung der Lebenswirklichkeit.

„Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott.“ In der Sehnsucht wirkt der lebendige Gott in uns und motiviert zum Leben Tag für Tag: zum Leben in hoffnungsvoller Gemeinschaft „in der Schar derer, die da feiern.“

Es grüßt Sie herzlich Ihr Pfarrer Andreas Strauch


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